KLIMA - Die Erde und ihre Atmosphäre im Wandel der Zeit
Das vorliegende Lehrwerk „KLIMA – Die Erde und ihre Atmosphäre im Wandel“ verfügt über zwei Teile. Die Grundlage bildet das Sach- und Werkbuch, dass 2012 erstmals erschienen ist und mittlerweile in der dritten Auflage (2016) herausgegeben wird. Zugehörig ist das Heft, in dem Ideen für den Unterricht zu finden sind, welches in der ersten Auflage 2019 vorliegt. Als Herausgeber für beide Werke sind die Wilhelm und Else-Heraeus-Stiftung sowie die Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren ausgewiesen. Die Materialien lassen sich in der Schule einsetzen, wobei der Unterricht der Fächer Geographie, der Naturwissenschaften oder der Politik die größten Potenziale für eine entsprechende Einbettung bieten. Weitere Einsatzmöglichkeiten erschließen sich für nachmittägliche Arbeitsgemeinschaften des Ganztagsunterrichts. Vor allem aber finden thematisch-inhaltlich Interessierte (Lehrer und Lehrerinnen sowie Schüler und Schülerinnen[1]) aktuelle, detailreiche und wissenschaftlich fundierte Ausführungen zum Thema.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung der Inhalte des Lehrwerkes erhalten die Schüler die Möglichkeit, zahlreiche Kompetenzen zu erwerben, die sich in den curricularen Vorgaben der Bundesländer wiederfinden. So steht beispielsweise in den Fachanforderungen für das Fach Erdkunde für das Gymnasium in Schleswig-Holstein, dass die Lernenden wesentliche globale Veränderungsprozesse im Zeitalter des Anthropozäns beschreiben und erläutern sollen. Diese Forderungen setzt das Lehrwerk auf den Seiten um, die sich mit den Klimaschwankungen vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit auseinandersetzen. Es wird ausführlich über die „kleine Eiszeit“ berichtet, die großen Einfluss auf das Wetter in Mitteleuropa hatte und für besonders schneereiche Winter und verheerende Sturmfluten an der Nordsee sorgte. Auch die Analyse des komplexen Zusammenwirkens von Geofaktoren in einem Geosystem unter Einfluss der Raumnutzung als Eingriff in geoökologische Kreisläufe ist eine Kompetenz, die sich in den Fachanforderungen finden lässt. Auch dies setzt das Lehrwerk um, indem es die Entstehung von Ozon in der Atmosphäre sowie die Phänomene „El Nino“ oder „La Nina“ umfassend darstellt. Die Prozesse werden im Buch erläutert und mithilfe der Kopiervorlagen umfassend abgeprüft.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Buch und das Arbeitsheft sind eng aufeinander abgestimmt und besitzen beide einen weichen Einband. Zu jedem Buchkapitel finden sich ein bis drei Kopiervorlagen im Arbeitsheft. Begonnen werden soll an dieser Stelle mit dem Buch, das mit einem Impressum und einem Vorwort der drei Autoren einsteigt. Es folgt das Inhaltsverzeichnis, in dem sich die sieben Hauptkapitel finden lassen. Jedes Kapitel umfasst weitere drei bis sieben Unterkapitel. Die Einleitung stellt die Hauptkapitel inhaltlich vor. Im ersten Kapitel „Vom Wetter zum Klima“ wird das Klima als die Statistik des Wetters vorgestellt. Klimadiagramme werden gegenübergestellt, um den Unterschied zwischen den Begriffen zu vergleichen. Auch andere grafische Darstellungen werden genutzt. Dabei wird auch erläutert, durch welche Faktoren das Wetter beeinflusst wird. Das zweite Kapitel „Die Physik der Atmosphäre“ beschreibt die Wärme der Sonne als zentrale Treibkraft des Klimas und erklärt die Rolle des Meeres und der Meeresströmungen. In diesem Zusammenhang wird auch der Wasserkreislauf dargestellt. Zudem wird der Aufbau der Atmosphäre beschrieben und interessante Fakten dargelegt. Weiterhin ist die Entstehung von Hoch- und Tiefdruckgebieten Thema in diesem Kapitel, wobei auch die Corioliskraft beschrieben wird. Wettererscheinungen wie Hurrikans, Tornados, Niederschläge und generelle Abläufe beim Durchzug einer Zyklone werden thematisiert. Abschließend werden die Klimazonen der Erde beleuchtet. Das dritte Kapitel „Die Energiebilanz in der Atmosphäre – der Treibhauseffekt“ setzt sich mit dem Temperaturausgleich auf der Erde auseinander. Dabei stehen die Konzentrationen unterschiedlicher Gase wie Kohlenstoffdioxid im Mittelpunkt und es wird der Treibhauseffekt erläutert. Im vierten Kapitel „Das Klima der Erde im Rückblick“ arbeitet die wesentlichen Ereignisse heraus, die Klimaveränderungen auf der Erde herbeigeführt haben. So wird die Entwicklung von der Dinosaurierzeit bis zur letzten Eiszeit nachgezeichnet und zentrale Daten und Befunde herausgestellt. Besonders interessante Verfahren, wie Eisbohrungen, werden detaillierter betrachtet. Das fünfte Kapitel „Der Weg in die Gegenwart“ geht nach einem ähnlichen Muster vor und beschreibt diese Entwicklungen bis heute. Begonnen wird mit aktuellen Klima- und Wetterdaten sowie aktuellen Phänomenen (El Nino) bevor die kleine Eiszeit im Mittelalter detailliert unter die Lupe und mögliche zukünftige Perspektiven aufgezeigt werden. Dabei wird der renommierte IPCC-Bericht hinzugezogen. Das vorletzte Kapitel „Gegenwart und Zukunft“ stellt Kohlenstoffdioxid als bedeutendes Treibhausgas vor und beschreibt natürliche Vorkommen der Verbindung sowie gängige chemische Prozesse. Im Weiteren wird die Rolle der Ozeane als wichtige Kohlenstoffsenke vorgestellt. Auch die Energieversorgung der Staaten sowie die wesentlichen kohlenstoffproduzierenden Wirtschafts- und Lebensbereiche werden angesprochen. Inwieweit Einsparungen vorgenommen werden können, wird mithilfe von alternativen und nachwachsenden Energieträgern in den Blick genommen sowie in Form eines Interviews erneut verdeutlicht. Das letzte Kapitel „Innovationen und Chancen“ fokussiert auf unterschiedliche Projekte zur Diagnose und Verminderung von Klimaveränderungen. Abschließend finden sich Werbeanzeigen, weitere Literaturhinweise sowie ein Stichwortverzeichnis.
Das Heft steigt auf den ersten 20 Seiten mit Erläuterungen zu den Kapiteln des Buches ein, bevor die Kopiervorlagen abgedruckt sind. Darin finden sich auch die jeweiligen Lösungen. Auf den Seiten beider Lehrwerke sind unterschiedliche Materialien miteinander kombiniert: Texte, Bilder, Grafiken und schematische Darstellungen, die den Erkenntniserwerb unterstützen.
Reflexion
Die Analyse der beiden Werke zeigt, dass sie sehr einheitlich, strukturiert und hochgradig informativ gestaltet sind. Besonders positiv fallen die engen Verweise zu wissenschaftlichen Publikationen und Aussagen auf, die durch die zahlreichen und interessanten Medien unterstrichen werden. Negativ ist hingegen zu sagen, dass die Materialien nur bedingt schülerorientiert und motivierend gestaltet sind, wie anhand der folgenden Ausführungen deutlich wird.
Die Texte sind sehr umfangreich und wissenschaftlich formuliert. Es wird meist ein übergeordneter Blick eingenommen, der weniger regionale oder nationale Maßstäbe einnimmt, sondern eher die globale Perspektive vertritt. Auf diese Weise wird es den Lernenden erschwert, einen Lebensweltbezug herzustellen. Fremdworte und Fachbegriffe werden nicht erklärt und schülergerecht aufbereitet. Die Lehrkraft muss die Texte didaktisch reduzieren und für die Schülerhand umformulieren, sodass sie entsprechend nutzbar gemacht werden können. Hinzu kommen die komplexen Formeln, die für die Lernenden in die fachlichen Kontexte des Physik- oder Chemieunterrichts eingebettet werden müssen, damit sie diese auch verstehen können. Zu kritisieren ist außerdem die Länge der Texte. Lange Texte, die ganze Doppelseiten einnehmen, sind für Schüler egal welchen Alters häufig unmotivierend. Hierbei sollte noch stärker auf Schaubilder und schülergerechte Abbildungen gesetzt werden, wenn Lehrende das Buch im Unterricht nutzen möchten. Gleiches trifft auch für das Arbeitsheft zu. Hier können die Texte nur in Auszügen im Unterricht verwendet werden. Denkbar wäre es, diese für Recherchearbeiten in Stillarbeitsphasen heranzuziehen.
Die Bilder und Grafiken sind außerordentlich hilfreich und unterstützen den Kompetenzerwerb. Um die Schülerorientierung zu stärken, sollten jedoch noch mehr dieser illustrierenden Medien zum Einsatz kommen. Wichtig wäre auch hier eine didaktische Reduktion, um die Lernenden nicht zu überfordern und die Informationsentnahme besser zu steuern.
Die Aufgaben, die vordergründig im Arbeitsheft zu finden sind, weisen keine Operatoren auf. Erlangte Fähigkeiten und Fertigkeiten können daher nicht nach Maßgabe der Bildungsstandards (im Fach Geographie) nachgewiesen werden. Die verwendeten Aufgabenformate sind außerdem sehr einseitig. Es wird primär mit multiple-choice-Fragen oder Freitext-Aufgaben gearbeitet. Komplexere Fragestellungen, die die Konstruktion von Wirkungsgefügen oder den Transfer auf andere Sachverhalte oder Raumbeispiele intendieren, werden nicht gewählt. Handlungsorientierte oder kooperative Aufgabenformate könnten für mehr Abwechslung und Motivation sorgen und sollten sich zudem mehr an der Lebenswelt der Lernenden orientieren. Auch die Erkundung außerschulischer Lernorte wie beispielsweise das Klimahaus Bremerhaven oder Nationalparkhäuser könnten zum besseren Verständnis beitragen.
Alles in allem lässt sich sagen, dass die vorliegenden Lehrmaterialien nur bedingt für den Einsatz an der Schule geeignet sind, was vor allem an der hohen Komplexität und der gering ausgeprägten Schülerorientierung liegt. Lehrkräfte, die diese einsetzen möchten, müssen die Aussagen umfassend didaktisch reduzieren und eine größere Vielfalt an Materialien und Aufgaben anbieten, um die Schülermotivation zu steigern und einen Lebensweltbezug herzustellen. Dazu würde sich ein stärkerer Bezug zum außerschulischen Lernen u. a. mit dem Besuch außerschulischer Lernorte anbieten.
Positiv zu bewerten sind die Hinweise zur beruflichen Weiterführung vorhandener Interessen in diesem Themengebiet durch die Darstellung entsprechender beruflicher Perspektiven z. B. im Bereich des Ingenieurwesens. Gleichzeitig zeigt sich hier jedoch erneut die Ausrichtung des Werks auf besonders interessierte und leistungsfähige Schüler. Für dieses Zielpublikum und zur Ergänzung des Unterrichts ist das Werk sicherlich eine gelungene Grundlage.
[1]Im Weiteren wird zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet.
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