Land in Sicht
Bei dem Lernangebot „Land in Sicht – Debatten über den Kurs der Landwirtschaft“ handelt es sich um ein digitales selbstgesteuertes Arbeitsmaterial (Lernapp), die von der Non-Profit-Organisation Greenpeace entwickelt wurde. Das Angebot wird für die Klassenstufe 10 bis 13 ausgewiesen und kann von allen digitalen Endgeräten bevorzugt jedoch mit Smartphones oder Tablets genutzt werden. Fachlich eingebunden werden kann es in den Unterricht der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer: Politik, Geographie oder Sozialkunde. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich in Zeiten unregelmäßiger Präsenzen an den Schulen vor allem im Distanzunterricht, im Rahmen von Projekten oder im Ganztagsunterricht. Es werden neben dem vorliegenden Modul noch weitere angeboten, die sich mit nachhaltigem Konsum und demokratischem Krisenmanagement auseinandersetzen. In diesem Rahmen geht es jedoch explizit um die Landwirtschaft und die öffentliche Debatte um deren Zukunft. Das Modul gliedert sich in vier Schwerpunkte: Landwirtschaft im Wandel, Dünger und Agrarchemie, Agrarpolitik der EU und Tierhaltung und Tierschutz.
Lernziele und Kompetenzen
Die Bearbeitung des digitalen Lernangebotes eröffnet den Schülerinnen und Schülern[1]die Gelegenheit, vielfältige Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die sich in den unterschiedlichen curricularen Vorgaben der Bundesländer wiederfinden. So setzen sie sich kritisch mit den Herausforderungen, Möglichkeiten und Spannungsfeldern in der aktuellen Entwicklung der Landwirtschaft auseinander. Auf der Basis verschiedener Quellen unter Nutzung des Nachhaltigkeitsvierecks (Ökonomie, Ökologie, Soziales, Politik) diskutieren sie diese Problemstellungen. Darüber hinaus üben sie, Stellung zu kontrovers betrachteten Themen zu beziehen und ihre eigene Meinung in Streitgesprächen zu vertreten. Sie lernen ihre politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Einflussmöglichkeiten zur Entwicklung in der Landwirtschaft kennen.
Die Lernapp ist handlungsorientiert angelegt. Diskussion, Austausch und kritischer Umgang mit unterschiedlichen Quellen stehen im Mittelpunkt und werden schrittweise angebahnt. Durch die Zergliederung des Moduls in vier Teile kann arbeitsteilig und kooperativ gearbeitet werden, was positive Interdependenzen schafft. Am Ende könnte ein gemeinsam entwickeltes Handlungsprodukt wie eine Präsentation, ein Plakat oder ein Flyer stehen, die bewertet und/oder nach außen getragen werden können (Ausstellung im Schulhaus, Tag der offenen Tür, Elternabend, usw.).
Aufbau und Analyse der Modulbausteine
Die Arbeit an dem Modul beginnt mit einigen Informationen zum Ablauf, zur Darstellung der Grafiken und zu den Eingabemöglichkeiten. Auch zum Inhalt werden erste Informationen gegeben. Die Lernenden sollen Assoziationen zur Landwirtschaft abgeben sowie Gründe und Ursachen von aktuellen Debatten in der Branche benennen, von denen sie durch die Medien etwas mitbekommen haben. Die Ergebnisse werden gesammelt und in einer Art Wortwolke für alle Mitglieder der Lerngruppe sichtbar zur Verfügung gestellt. Danach gliedert sich das Modul in einzelne Bausteine auf, die Fokusthemen genannt werden. Jeder Schüler darf wählen, in welcher Reihenfolge er die Bausteine bearbeiten möchte. Die Lernenden können das gewünschte Modul einfach anklicken und erhalten in einem kurzen Informationstext einen ersten Einblick in die Thematik. Hier wird dann in weitere vier Unterthemen geteilt. Strukturell sind alle gleich aufgebaut: Es erscheinen zunächst einige Kärtchen mit Materialien: Eingestiegen wird oft mit einem Bild oder einem Diagramm, danach folgt ein Textbaustein, der gelesen werden muss. Dann kann bis zu zehn Mal „weitergewischt“ werden. Am Ende jedes Unterthemas werden weitere Links und Hinweise auf ergänzende Quellen gegeben. Aus diesen soll dann eine eigene Meinung entwickelt werden, die auch eingetippt werden muss. Häufig wird auch eine Entscheidung (pro oder contra) eingefordert, die zu begründen ist.
Der erste Baustein „Landwirtschaft im Wandel“ fokussiert auf den Strukturwandel in der Landwirtschaft und beleuchtet zunächst mit Statistiken und Bildern wichtige Fachbegriffe, die für die Auseinandersetzung mit der Thematik wesentlich sind wie Strukturwandel, Betriebsgrößen oder Grundbesitz. Mithilfe von Literatur soll der Strukturwandel bewertet werden. Im Weiteren wird auf die Vor- und Nachteile der ökologischen Landwirtschaft eingegangen sowie der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel beleuchtet. Der zweite Baustein thematisiert den Einsatz von Dünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Hierin wird zunächst auf Gülle als Düngemittel eingegangen sowie das Konzept der flächengebundenen Tierhaltung betrachtet. Auch die Nitratbelastung des Grundwassers, der Rückgang der Insektenpopulationen und der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln werden angesprochen. Das dritte Element rückt die Agrarpolitik der EU in den Mittelpunkt. Zunächst wird die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in ihren Grundzügen vorgestellt, bevor der Handel mit Agrarprodukten in der globalisierten Welt behandelt wird. Weitere Schwerpunkte werden erneut bei der GAP gesetzt, wobei abschließend die einzelnen Säulen und deren finanzielle Ausstattung fokussiert werden. Der letzte Baustein beschäftigt sich mit Tierhaltung und Tierschutz. Als erstes kommen wichtige Kennzahlen zur Thematik zur Sprache und gesetzliche Eckpfeiler werden vorgestellt. Danach geht es verstärkt um die Haltung der Tiere sowie um Tierwohl- und Öko-Label. Abschließend wird auf die Kosten für die Verbesserung der Haltungsbedingungen sowie auf den Fleischverbrauch in Deutschland eingegangen.
Zur digitalen Anwendung gibt es auch ein Handbuch, in dem die Konzeption erläutert und didaktisch-methodische Hinweise gegeben werden.
Reflexion
Die vorangegangene Analyse zeigt, dass die Lernapp übersichtlich, intuitiv und für Lehrer wie Schüler leicht bedienbar ist. Sie fokussiert ein handlungsorientiertes Vorgehen und ermöglicht kooperatives Arbeiten auch wenn die Präsenz an der Schule nicht möglich ist. Sie ist daher altersangemessen, besitzt einen hohen Lebensweltbezug und bedient mit ihrer Themenstellung eine gesellschaftlich hoch relevante Fragestellung, die ihren Platz im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht haben sollte.
Inhaltlich ist zu sagen, dass die Struktur der Bausteine sinnvoll ist und die Unterthemen in den Modulen gut miteinander vernetzt sind. Sie bauen aufeinander auf: Während im ersten Unterthema zunächst wichtige Fachbegriffe aufgegriffen, erläutert und miteinander in Zusammenhang gebracht werden, erfolgt im Weiteren die Spezialisierung in unterschiedliche Schwerpunkte. Beim Einstieg in die Einheit sollte auf jeden Fall zusätzliches Material eingebracht werden. Es ist wichtig, dass gemeinsam im Plenum eine Fragestellung generiert wird, die für das Vorhaben handlungsleitend ist und unter der am Ende alle Ergebnisse diskutiert werden können.
Die Texte sind kurz und enthalten prägnante Formulierungen. Schwierig ist jedoch, dass sie an einigen Stellen etwas zu knapp geraten und die Aussagen dann ebenfalls verkürzt dargestellt werden. Sie sind daher nur teilweise altersadäquat. Es könnten beispielsweise Fremdwörter oder Fachbegriffe zusätzlich farblich hervorgehoben werden, sodass bei Verständnisproblemen eine Erläuterung erscheint. Die Bilder, welche die Texte begleiten, sind mehrheitlich passend und zielführend ausgewählt und unterstützen die Lernenden beim Kompetenzerwerb. Vereinzelt finden sich jedoch Bilder, die keine Aussage haben und nur aus Icons oder füllenden Grafiken bestehen. Dies sollte vermieden werden (vgl. BALLSTAEDT 1997). Besser wäre es, wenn diese weggelassen und der Text etwas länger wäre, um die Sachverhalte umfassender darlegen zu können. Die Diagramme und Tabellen sind ebenfalls gut gewählt und pflegen sich optisch ansprechend in das Gesamtbild ein. Sie spiegeln jedoch nur das wider, was bereits in den Texten ausgesagt wird. Es wäre wünschenswert, wenn ihre Auswertung und Analyse auch in den Erkenntnisgewinn mit einfließen würde. Dabei könnte gut mit Checklisten oder Ähnlichem gearbeitet werden, was auch über die Aufgaben abgedeckt werden könnte. Insgesamt sollte eine größere Vielfalt der Aufgabenformate angeboten werden.
Die Abschlüsse der jeweiligen Unterkapitel sind so gestaltet, dass die Lernenden sich zu den vorgestellten Sachverhalten positionieren sollen. Es werden zusätzliche Quellenvorschläge gegeben, die unterschiedliche Meinungsbilder, Hintergründe und Zugänge zu den Themen liefern. Diese sind sehr vielseitig und dienen als Entscheidungsgrundlage. Am Ende wird eine individuelle Meinung eingefordert und ein Statement für oder gegen eine Entwicklung getroffen, die begründet werden muss. Die eingegebenen Textbausteine sind für alle Lernenden und die Lehrkraft sichtbar und können zur weiteren Diskussion der Leitfrage genutzt werden.
Alles in allem bleibt ist diese Lernapp eine gute Möglichkeit, den Distanzunterricht zu gestalten. Die lebensweltnahe und intuitive Gestaltung sowie die ansprechenden und umfangreichen Quellenmaterialien sind passend gewählt und unterstützen den Kompetenzaufbau der Schüler. Es ist dabei zwingend notwendig, die Bearbeitung des Lernvorhabens in der App in eine Unterrichtsreihe oder -einheit einzubetten und eine unterrichtliche Vor- und Nachbereitung zu organisieren. Das handlungsorientierte Vorgehen ermöglicht dabei unterschiedliche didaktisch-methodische Gestaltungsmöglichkeiten, die die Lehrkraft individuell an die Lerngruppe und die situativen Voraussetzungen anpassen kann. An einigen Stellen weist die Lernapp noch wenige konzeptionelle und didaktische Mängel auf, die jedoch durch gezieltes Nachsteuern überwunden werden können.
[1]Im Weiteren wird zur Vereinfachung das generische Maskulinum genutzt.
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