Erlebnis Wahlpflicht Naturwissenschaften - Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung
Das Lehrwerk „Erlebnis Wahlpflicht Naturwissenschaften – Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung“ ist 2020 erstmalig im Schroedel-Verlag erschienen, welcher der Westermann-Gruppe zuzuordnen ist. Bei dem vorliegenden Exemplar handelt es sich um eine differenzierende Ausgabe. Es eignet sich für den Einsatz im Wahlpflichtbereich der unterschiedlichen Schulformen der Sekundarstufe I aller Bundesländer mit Ausnahme von Bayern. Dabei ist es besonders für die Klassen acht bis zehn konzipiert. Das Lehrwerk ist Teil einer Reihe, zu der es weitere Ausgaben mit der Themenstellung Boden, Kleidung oder Haut gibt. Neben der Schülerausgabe kann die Lehrkraft ein Lösungsbuch, Lehrermaterialien sowie eine BiBox mit zugehörigen digitalen Materialien einkaufen. Aus landwirtschaftlicher Perspektive sind besonders die ersten Seiten, die unterschiedliche Produktions- und Haltungsformen thematisieren sowie die letzten Seiten, die sich neuen Schwerpunkten wie Nachhaltigkeit und Berufsorientierung zuwenden, interessant.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des Lehrwerkes haben die Lernenden die Möglichkeit, vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erwerben, die für ein tieferes Verständnis von landwirtschaftlichen Produktionsprozessen erforderlich sind. So erwerben sie auf der Doppelseite „Vom Kuhstall bis ins Kühlregal“ Kenntnisse über Wertschöpfungsketten am Beispiel von Milch und Milchprodukten. In diesem Zusammenhang wird auch der Aufbau eines modernen Kuhstalls sowie der Automatisierungsprozess beim Melken erläutert. Ein weiteres Thema, das in den Curricula zunehmende Bedeutung erlangt, ist die Nachhaltigkeit. So wird die Bedeutung der Thematik anhand des Dreisäulenmodells erläutert. Hinzu kommen die Modelle des virtuellen Wassers, der Ökobilanzen und des ökologischen Fußabdruckes. Räumlich werden diese Aspekte auf den folgenden Seiten in den Kontext des Amazonasregenwaldes eingeordnet. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Saisonalität und Regionalität von Lebensmitteln gelegt.
Neben den fachlichen Kompetenzen macht sich das Lehrwerk zur Aufgabe, methodische und handlungsorientierte Lernanlässe zu liefern. Die SchülerInnen erwerben Kenntnisse über das Experimentieren und die Arbeitsgeräte im Fachraum, die Nutzung von digitalen Quellen und die kriteriengeleitete Bewertung von Sachverhalten. Darüber hinaus werden praktische Vorhaben intendiert, wie das eigene Herstellen von Lebensmitteln wie Pizza, Smoothies oder Brot. Zudem werden Exkurse in den Umgang mit Gentechnik oder in die Herstellung von Bier gegeben.
Aufbau und Analyse des Lehrwerks
Das Lehrwerk ist in einer Heftform gebunden und kommt in einem hochwertigen Softcover daher. Die erste Seite erklärt den Aufbau des Buches. Es werden der Aufbau der Seiten dargestellt, die Farbgebungen erläutert und die Arten der Aufgabenstellung unterschieden. Die Aufgaben variieren zwischen klassisch-operationalisierten Formaten, Recherchearbeiten und Versuchen, Beobachtungen und Experimenten. Alle Aufgaben sind mit Balken versehen, wobei ein Balken einen niedrigen Schwierigkeitsgrad und drei Balken einen hohen Schwierigkeitsgrad anzeigen. Ein ähnliches Konzept verbirgt sich auch hinter den Förder- und Forder-Seiten, die differenzierte Materialien für SchülerInnen mit verschiedenen Bedürfnissen anbieten. Die Sonderseiten sind farblich unterschiedlich gekennzeichnet. Es gibt Methoden-Seiten (grün), Pinnwand-Seiten (grau), Streifzug-Seiten (orange), Praktikum-Seiten (blau), Lernen-im-Team-Seiten (pink), Auf-einen-Blick-Seiten (violett), Lerncheck-Seiten (rot) und Basiskonzept-Seiten (dunkelgrau). Im Inhaltsverzeichnis sind die Themen der Seiten aufgeführt. Es gibt keine Kapitelstruktur.
Das Lehrwerk beginnt auf einer Doppelseite mit Sicherheitsregeln für die Arbeit im Fachraum und das Experimentieren. Nachfolgend wendet es sich den Themen der Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung zu. Dabei wird ebenfalls nach dem Doppelseitenprinzip fortgefahren. Typischerweise wird mit einem Schaubild oder einem Bild eingestiegen. Danach folgen die Aufgaben, von denen es zumeist sechs bis zehn gibt. Die zweite Doppelseite ist dann gefüllt mit vielfältigen Materialien wie Bildern, Texten oder grafischen Übersichten, die die Lernenden zur Lösung der Aufgaben heranziehen können. Inhaltlich wird zunächst auf die Tierhaltung eingegangen. Dabei wird speziell die Milchviehhaltung und die Aquakultur fokussiert. Danach geht das Lehrwerk auf die Pflanzenproduktion ein. Hier steht die Düngung, die Gentechnik und die großflächige Produktion im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang wird auch auf die ökologische Landwirtschaft eingegangen. Im Weiteren thematisiert das Lehrwerk die Konservierung und Haltbarmachung von Lebensmitteln. Dazu werden Versuche angeboten, Exkurse zur Bierherstellung gegeben und praktische Impulse gesetzt, bei der die SchülerInnen selbst aktiv werden und Lebensmittel wie Pizza, Smoothies oder Brot herstellen. Anschließend wir der Schwerpunkt auf Ernährung und Nachhaltigkeit gesetzt. Während zunächst die Nährstoffzusammensetzung von Nahrungsmitteln betrachtet wird, erfolgt danach die kriteriengeleitete Bewertung nach Inhalts- und Schadstoffen. Auch dabei werden die Lernenden handelnd tätig. Eine weitere Doppelseite stellt verschiedene Berufe rund um Lebensmittel zusammen, was der Berufsorientierung dient. Unter dem Fokus der Nachhaltigkeit stehen abschließend verschiedene Ernährungsweisen auf dem Prüfstand. Zudem wird die Bedeutung der Regionalität und Saisonalität herausgehoben.
Im Anhang finden sich Verzeichnisse zu Fachbegriffen, Methodenübersichten, Gefahrenhinweise sowie weiteres Anschauungs- und Quellenmaterial.
Reflexion
Resümierend lässt sich festhalten, dass das Lehrwerk ansprechend, strukturiert und einheitlich gestaltet ist. Es besticht ferner durch seine abwechslungsreiche und handlungsorientierte Konzeption, die als schülermotivierend zu bewerten ist. Dennoch lässt sich die Konzeption im Vergleich zu anderen Lehrwerken als ungewöhnlich bezeichnen, da die Themendoppelseiten direkt mit Aufgaben einsteigen. Häufig finden sich diese am Ende der Seite, sodass die SchülerInnen nicht von vornherein durch die Menge der Aufgaben demotiviert werden. Ein Nachteil dieser Konzeption ist, dass die Lernenden zunächst die Materialien der folgenden Seite bearbeiten müssen, um die Aufgaben zu beantworten. Grundsätzlich ist zu den Aufgaben zu sagen, dass sie unterschiedliche Formate anbieten. Es gibt die klassischen Aufgaben, die mit A gekennzeichnet sind und sich durch Operatoren auszeichnen. Überwiegend wird der Anforderungsbereich II verwendet, selten kommen Operatoren aus dem Anforderungsbereich I oder III zum Einsatz. Die Aufgaben sind zudem mit den Balken versehen, welche den Schwierigkeitsgrad anzeigen. Lösungstipps oder -hinweise, wie sie aus anderen Lehrwerken bekannt sind und die die SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf zusätzlich unterstützen, gibt es jedoch nicht. Neben diesen verfügt es über Rechercheaufgaben, die mit Q markiert sind. Diese sehen eine eigene Recherche im Internet oder im Supermarkt vor und intendieren häufig ein handlungsorientiertes Vorgehen. Schließlich bieten einige Seiten V-Aufgaben an, die Versuche vorsehen.
Die Texte sind kurz und durch die Zwischenüberschriften gut gegliedert. Wesentliche Fachbegriffe werden fett hervorgehoben, wodurch die SchülerInnen beim Kompetenzerwerb unterstützt werden und das Lösen der Aufgaben erleichtert wird. Inhaltlich lässt sich feststellen, dass die Informationen teilweise veraltet sind. So wird beispielsweise auf der Doppelseite „Tiere haben Bedürfnisse“ vom Schnäbelkürzen als gängige Praxis berichtet. Dies ist jedoch seit 2016/17 in Deutschland verboten. Hinzu kommt die Darstellung der Haltungsformen in der Hühnerhaltung, die in Teilen nicht angemessen beschrieben wird. Landwirtschaftliche Betriebe legen großen Wert auf die Gesundheit und das Wohl der Tiere, was sich in der Konstruktion der Stallanlagen widerspiegelt. Entsprechende Entwicklungen lassen sich beispielsweise in Hühnerställen durch Sitzstangen für die Nacht sowie Sand und Stroh zum Picken und Scharren finden. Auf der Doppelseite zur ökologischen Landwirtschaft sollen die Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale dieser Wirtschaftsform beschrieben werden. Dabei entsteht häufig der Eindruck, dass diese Eigenschaften nicht auf die konventionelle Landwirtschaft zutreffen. Dennoch arbeitet die konventionelle Landwirtschaft ebenfalls mit Fruchtfolgen und hält so den Fruchtwechsel ein, Zwischenfrüchte werden gepflanzt, um den Boden vor Erosion zu schützen. Entscheidende Begriffe zur Beschreibung der ökologischen Landwirtschaft wie Kreislaufwirtschaft fehlen. Auffälligkeiten bezüglich der Aktualität der Informationen gibt es auch bei den Erläuterungen zur Nachhaltigkeit. Hier wird vom Nachhaltigkeitsdreieck berichtet, welches mittlerweile als überholt gilt. Systemisches Denken und Mehrperspektivität, wie es das Nachhaltigkeitsviereck darstellt sind in der aktuellen Diskussion häufiger zu finden.
Die Abbildungen und Grafiken sind zielführend, interessant und schülermotivierend. Sie unterstützen das Verstehen der Zusammenhänge. Einige Bilder wirken redundant und könnten die Lernenden verunsichern. Wichtiger wäre es, an ihrer Stelle mit zusätzlichen Erklärungen oder weiterführenden Informationen zur arbeiten.
Abschließend kann gesagt werden, dass das Lehrwerk einen abwechslungsreichen und handlungsorientierten Zugang zu den Themen der Landwirtschaft und Nahrungsmittelherstellung liefert. Die Aufgaben sind motivierend und laden zur tieferen Auseinandersetzung ein, auch wenn ihre Stellung im Gesamtwerk eher ungewöhnlich ist und einige Lernende auch verwirren könnte. Die Texte und Materialien sind mit kleinen Einschränkungen gelungen, bedürfen jedoch noch einmal einer Aktualitätsprüfung.
Die SchülerInnen erhalten motivierende Arbeitsmaterialien mit einem hohen Grad an Lebensweltbezug. Die Themenstellungen und Aufbereitungen fördern insbesondere das vernetzte und systembezogene Denken. Wünschenswert wären differenzierte Aufgaben, die weiterdenken und Lösungstipps etc. bereithalten. Lobenswert ist der Beitrag zur Berufsorientierung und zum außerschulischen Lernen, wozu die Lernenden verstärkt angeregt werden.
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