Diercke Spezial - Deutschland in Europa
Das vorliegende Schulbuch „Diercke Spezial – Deutschland in Europa“ ist 2022 erstmalig im Westermann-Verlag erschienen. Es handelt sich dabei um die Schüler:innenausgabe. Das Lehrwerk ist zugelassen für den Geographieunterricht in der gymnasialen Oberstufe (Klassen 11 bis 13) aller Bundesländer. Das Werk ist Bestandteil einer Reihe, deren Werke sich mit unterschiedlichen räumlichen und thematischen Schwerpunkten (z.B. Südasien, Nordafrika und Vorderasien, Stadt- und Stadtentwicklung) auseinandersetzen. Neben der entsprechenden Druckausgabe kann insbesondere die unterrichtende Lehrkraft zusätzlich eine sogenannte BiBox erwerben, die die digitale Nutzung der Materialien auf mobilen Endgeräten erlaubt und eine Vielzahl an Zusatzmaterialien anbietet. Das Thema Landwirtschaft wird zentral im Kapitel 3 „Landwirtschaft und Umwelt“ aufgegriffen.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des Schulbuches haben die Lernenden die Möglichkeit eine Vielzahl an Kompetenzen zu erwerben, die von den Lehrplänen der Bundesländer vorgegeben werden. So schreibt beispielsweise der Rahmenlehrplan Nordrhein-Westfalens vor, dass die Schüler:innen landwirtschaftliche Strukturen in verschiedenen Klima- und Vegetationszonen kennenlernen sollen. Besonderer Fokus soll dabei unter anderem auf die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in der gemäßigten Zone gelegt werden. Das Schulbuch setzt diese Forderungen auf den Doppelseiten des dritten Kapitels um. Wesentliche Entwicklungsprozesse in der landwirtschaftlichen Branche wie beispielsweise der Strukturwandel und die Mechanisierung werden auf zwei Doppelseiten thematisiert. Gesondert betrachtet werden Konzentrationsprozesse und die Bildung von Agribusiness am Beispiel der Schweine- und Geflügelfleischproduktion im Oldenburger Münsterland. In diesem Kontext werden auch wesentliche Charakteristika der Entwicklungen wie etwa die Vertikalintegration von Unternehmen aufgegriffen. Auch agrarpolitische Entwicklungen kommen zur Sprache, die ausführlich am Beispiel der Milchviehwirtschaft aufgezeigt werden.
Neben den fachlichen Kompetenzen macht es sich das Lehrwerk zur Aufgabe, die Lernenden auf die Abiturprüfungen vorzubereiten, in dem es Musterklausuren zur Verfügung stellt, mit denen die Schüler:innen arbeiten können.
Bezüglich seiner fachdidaktischen Konzeption ist das Lehrwerk den Arbeitsbüchern zuzuordnen, da es fast ausschließlich Materialien (z.B. Texte, Bilder, Grafiken, Tabellen, Karten) für die Lerner:innen bereithält. Diese sollen die Aufgaben mithilfe der bereitgestellten Materialien selbstständig bearbeiten.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch hat ein DIN A4-Format und verfügt über einen Softcovereinband. Es steigt mit einer Auftaktseite sowie einem Impressum ein, in dem die Autor:innen genannt werden. Darauf folgt das Inhaltsverzeichnis, das insgesamt fünf inhaltliche Kapitel umfasst. Der Anhang wird gesondert aufgeführt. Im Anschluss daran werden Hinweise zur Arbeit mit dem Lehrwerk gegeben. Die Auftaktseiten halten stets ein großformatiges Foto bereit, dass die Lernenden visuell auf die Inhalte einstimmen soll. Danach findet sich die Einstiegsdoppelseite, die in das Thema des Kapitels einführt und die verschiedenen inhaltlichen Facetten umreißt. Ferner dienen sie dazu, das Vorwissen aus den vorangegangen Jahrgangsstufen zu wiederholen und zu reaktivieren. Das Herzstück der Kapitel bilden die Themendoppelseiten, von denen jeweils acht bis zehn pro Kapitel auszumachen sind. Sie stellen die Aufgaben in den Mittelpunkt, die die Lernenden selbstständig mithilfe der Materialien auf den Seiten bearbeiten sollen. Jede dieser Seiten bietet eine kleine Einführung in die Thematik links oben, daran schließen sich die Aufgaben an. Die Aufgaben sind in der Regel operationalisiert, sodass sie auch in dieser oder ähnlicher Form in Klausuren zum Einsatz kommen können. Zusatzaufgaben sind in Form von Webcodes digital abrufbar. Am Ende jedes Kapitels befindet sich jeweils eine Probeklausur, die die Schüler:innen auf die Abiturprüfungen vorbereiten und das Gelernte zur Anwendung bringen sollen. Im vierten Kapitel wird die Übungsklausur zusätzlich durch ein Methodentraining ergänzt. Hinzu kommt die letzte Seite mit der Zusammenfassung, die Ergebnistexte liefert und die Inhalte kurz zusammenfasst. Ferner werden Hinweise zur weiterführenden Literatur und Weblinks gegeben. Im Anhang können die Operatoren nachgelesen und wichtige Fachbegriffe im Glossar nachgeschlagen werden. Das Lehrwerk schließt mit dem Bildverzeichnis.
Das Kapitel zur Landwirtschaft führt zunächst in der Einstiegsseite in das Kapitel ein. Es werden zentrale Entwicklungsprozesse der letzten 70 Jahre angerissen, wobei besonderer Fokus auf den Strukturwandel gelegt wird. Dem Prozess des Strukturwandels wird die folgende Themendoppelseite gewidmet. Dabei findet eine Ausdifferenzierung nach Mechanisierung und Intensivierung statt. Die folgende Doppelseite betrachtet das Oldenburger Münsterland exemplarisch als ein Agribusiness. Es werden die Schweine- und die Hühnerhaltung und deren lokale und überregionale Bedeutung beleuchtet. Daran schließt sich eine Doppelseite an, welche die Agrarpolitik am Beispiel der Milchviehhaltung und Milchproduktion im europäischen Kontext betrachtet. Es folgen die beiden Seiten zum ökologischen Landbau. Fokussiert werden der geschlossene Nährstoffkreislauf sowie die Produktivität der Betriebe und die Nachfrage der Produkte. Ferner werden im Anschluss daran Landwirtschaft und Klimawandel in Zusammenhang gebracht. Insbesondere die unmittelbaren Klimawandelfolgen, die Auswirkungen für die Landwirtschaft und die Anpassungsmaßnahmen erfahren eine besondere Betrachtung. Schließlich wendet sich die letzte Doppelseite der Landwirtschaft der Zukunft zu, auf der drei landwirtschaftliche Betriebe mit unterschiedlichen Spezialisierungen vorgestellt und deren zukunftsweisende Wirtschaftsweise diskutiert wird.
Reflexion
Wie bereits in der Analyse der Kapitel deutlich geworden ist, besticht das Lehrwerk durch seinen logischen Aufbau, seine vielfältigen Materialien und das hohe Maß an Schüler:innenaktivierung, was durch die selbstständige Bearbeitung der Aufgaben gegeben ist. Zudem zeichnet sich das Arbeitsbuch durch ein einheitliches und schüler:innengerechtes Layout sowie die Arbeit mit vielseitigen Quellen aus, was vor allem für die Lernenden der vorgegeben Jahrgangsstufen von herausgehobener Bedeutung ist, da es sie aus ihrer eigenen Lebenswelt abholt und sie zugleich auf das Studium vorbereitet. Große Verantwortung kommt in diesem Kontext jedoch auch der Lehrkraft zu, die den Lernprozess moderieren und die Themen/Inhalte so miteinander vernetzen muss, dass die Schüler:innen diese als bedeutsam für ihr eigenes Leben erkennen und motiviert sind an und mit ihnen zu arbeiten.
Die Doppelseiten zur Landwirtschaft bieten gut recherchierte, interessante und vielseitige Quellentexte an, welche die Sachverhalte objektiv darstellen. Das Datenmaterial stammt überwiegend von staatlichen Quellen wie dem statistischen Bundesamt. Die Quellen zeigen gegenwärtige Problemstellungen auf und leuchten aktuelle Forschungsschwerpunkte aus, wie beispielsweise auf der Doppelseite zum agrarindustriellen Zentrum im Oldenburger Münsterland. Durch die Aufgaben werden die Schüler:innen angeregt, die Inhalte der Materialien aufzuarbeiten und miteinander zu vernetzen. Mit mit der Bearbeitung entsteht ein Bild der zukünftigen Regionalentwicklung, was durch die umfassende Betrachtung der Entwicklungen in den Materialien zustande kommt. Es werden innovative Ideen und alternative Produktionsgüter (wie z.B. in M4 ist von Biogarnelen die Rede) vorgestellt. Dies ist auch im Sinne des neuen Trends in der Geographiedidaktik, der Lösungsorientierung, die das Aufzeigen von Best-Practise-Beispielen forciert (vgl. Hoffmann 2021). In diesem Zusammenhang wäre auch eine Projektarbeit oder die Erkundung eines Unternehmens in der Region mit besonderem Fokus auf die alternativen Zweige der Ernährungswirtschaft zielführend.
Bei der Doppelseite zum Thema Landwirtschaft und Klimawandel werden die direkten Folgen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die möglichen Anpassungsmaßnahmen der Branche aufgeführt. Weniger Berücksichtigung findet allerdings, dass auch die Landwirtschaft zum anthropogenen Klimawandel beiträgt. An dieser Stelle wäre eine kontroversere Perspektive auf die Problemstellung zielführender gewesen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das Lehrwerk einen guten und schüler:innenorientierten Zugang zu den Themenstellungen der Landwirtschaft bereithält. Insbesondere die Vielseitigkeit, die Aktualität und die gute Recherche der Materialien besticht und sorgt für eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Inhalten. Wünschenswert wäre an einigen Stellen allerdings eine kontroversere Darstellung der Sachverhalte, die verstärkt Lösungsperspektiven für die Problemstellungen auch durch die Schüler:innen selbst aufzeigt. In diesem Zusammenhang wäre die Erkundung eines außerschulischen Lernortes in Verbindung mit einem Projektlernen im entsprechenden Kontext wünschenswert.
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