Wie viel wärmer ist 1 Grad? - Was beim Klimawandel passiert
Das Sachbuch „Wie viel wärmer ist 1 Grad? – Was beim Klimawandel passiert" ist 2019 erstmalig im Beltz & Gelberg Verlag erschienen und richtet sich an Kinder ab dem ersten Schuljahr. Es eignet sich vor allem für die Anschaffung in der Schul- oder Klassenbibliothek oder als Sachbuch, in dem während einer Projektarbeit nachgeschlagen und aus dem bei Bedarf im Unterricht vorgelesen werden kann. Auch als Geschenk für Kinder dieser Altersstufe ist es sehr passend. Zur Landwirtschaft und anverwandten Themen gibt es drei Doppelseiten im Buch.
Lernziele und Kompetenzen
Wie der Titel des Sachbuches schon vermuten lässt, wird darin der Frage nachgegangen, warum es auf der Erde immer wärmer wird. Die Lernenden erhalten somit die Möglichkeit, sich umfassend mit den Ursachen, Folgen und Maßnahmen gegen den Klimawandel auseinanderzusetzen. So wird beispielsweise auf den ersten Seiten eine Erläuterung sowie ein Einblick in die Klimazonen der Erde gegeben. Klimatische Spezifika der Zonen, wie die kalten, langen Winter, die kurzen, milden Sommer und andere bestimmende Naturphänomene wie Polartag und -nacht in der Polarzone, werden vorgestellt und erläutert. Weitere Schwerpunkte bilden die Darstellungen der klimatischen Verhältnisse in unterschiedlichen Zeiträumen sowie die Erläuterungen zu den verschiedenen Faktoren zur Entstehung von Klima und Wetter. Dabei lernen die Kinder verschiedene Fachbegriffe wie Treibhauseffekt, Klimawandel oder Wetter kennen, die sich auch in den Lehrplänen der Bundesländer wiederfinden lassen.
Aufbau und Analyse des Sachbuches
Das Sachbuch kommt in einem festen und kartonierten Einband daher. Es beginnt mit einem kleinen Impressum und einer Titelseite. Ohne Inhaltsverzeichnis geht es in die inhaltlichen Seiten über. Es lässt sich eher schwer eine Struktur erkennen: die ersten Seiten befassen sich im Sinne des Lebensweltbezuges mit Fragen von Kindern und wichtigen (Fach-)Begriffen im Kontext des Klimawandels. Dazu werden beispielsweise Wetter und Klima unterschieden und definiert. Auch auf die Sonne als wichtigsten klimabeeinflussenden Faktor wird eingegangen. Dabei wird die Wirkung von Sonnenstrahlen und der Aufbau der Atmosphäre näher betrachtet. Einen weiteren wesentlichen Aspekt markiert die Erläuterung der Entstehung der Klimazonen der Erde. Ihre spezifische Lage und ihre Besonderheiten, wie zum Beispiel die Jahreszeiten in der gemäßigten Klimazone oder das Tageszeitenklima in den Tropen werden thematisiert.
Als Überleitung zum Klimawandel werden anschließend noch einmal typische Aussagen der Gesellschaft über das Wetter angeführt und wesentliche Klimaveränderungen wie der „kleinen Eiszeit“ im späten Mittelalter erläutert. In diesem Kontext erfolgt die Erklärung der Forschungszugänge: so wird mithilfe der Jahresringe der Bäume oder der Zusammensetzung des antarktischen Eises analysiert, wie das Wetter in unterschiedlichen Jahren auf der Erde gewesen ist. Im Weiteren liegt der Fokus dann auf klimabeeinflussenden Faktoren. Dazu werden zum Beispiel die Neigung der Erdachse, der Treibhauseffekt, Naturereignisse und ‑katastrophen sowie der Ausstoß von Treibhausgasen betrachtet. Besondere Berücksichtigung finden dabei die anthropogenen Ursachen: Industrialisierung, Globalisierung, Plastikverbrauch, erhöhte Mobilität und Nutzung nicht regenerativer Energien. Auch hier werden die Fachbegriffe, sofern sie gebraucht werden, definiert und zusätzlich mithilfe grafischer Darstellungen illustriert. Nach weiteren Erläuterungen zum Treibhausgasausstoß in der Lebensmittelproduktion, Saisonalität und Regionalität von Obst und Gemüse wird auch auf die wachsende Weltbevölkerung Bezug genommen. Im nächsten Abschnitt des Sachbuches wird verstärkt auf die Folgen des Klimawandels eingegangen: Meeresspiegelanstieg, Auftauen der Permafrostböden, Polareisschmelze und die Veränderungen in den Lebensräumen der Tiere werden behandelt. Darüber hinaus kommen meteorologische Extremereignisse zur Sprache, wie beispielsweise Dürre oder Überflutungen.
Abschließend stellt das Sachbuch unterschiedliche Wege zur Lösung der vielseitigen Probleme vor. Beginnend mit politisch initiierten Lösungen wie dem Pariser Abkommen oder dem Handel mit Emissionsrechten, kommen nachfolgend verschiedene Möglichkeiten der Stromerzeugung oder perspektivische Lösungen im Bereich der Mobilität zur Sprache. Schließlich wird die individuelle Perspektive eingenommen, wobei der ökologische Fußabdruck und mögliche Maßnahmen jedes Einzelnen dargelegt werden.
Zur Landwirtschaft finden sich insgesamt vier Doppelseiten. Darin wird auf den Verbrauch von Lebensmitteln pro Kopf und Haushalt, auf die Tierhaltung und die daraus resultierenden Treibhausgase, die Saisonalität und Regionalität von Lebensmitteln und die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen zur Biodiesel-Gewinnung eingegangen.
Reflexion
Die Analyse des Sachbuches hat gezeigt, dass es vielfältige Themen kindgerecht und anschaulich vermittelt. Der Aufbau ist in sich stringent und die Seitengestaltung einheitlich. Die Texte sind kurz und altersadäquat, zeichnen sich aber dennoch durch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad aus. Dies liegt vor allem in der Komplexität des Themas begründet. Zudem werden die grundlegenden (Fach-) Begriffe genutzt und erläutert. Forschungen gehen davon aus, dass Texte in Lehr- und Lernmedien immer dann gut geeignet sind, wenn das sprachliche Niveau der Autorentexte leicht über dem der Lernenden liegt (vgl. BALLSTAEDT 1997). Unterstützt werden die schriftlichen Ausführungen von den zahlreichen, zielführenden Bildern und schematischen Darstellungen. Sie illustrieren die Sachverhalte anschaulich und erleichtern den Erkenntniserwerb für die Lernenden. Insbesondere die Schaubilder sind als gelungen zu bewerten. Sie schaffen es, komplizierte Aspekte wie beispielsweise die Entstehung von Meeresströmungen, den Produktionsweg einer Jeans oder den Emissionshandel didaktisch reduziert, angemessen und für Kinder anschaulich darzustellen. Dennoch wirken die Zeichnungen in einigen Passagen zu idyllisch und verfehlt. Eine reale Darstellung in Form von Fotos oder Satellitenbildern, beispielsweise beim Schmelzen der Gletscher, oder eine Karte, auf der die vom Klimawandel besonders gefährdeten Regionen der Welt eingefärbt wären, hätten die Aktualität und Dringlichkeit der Lage passender einfangen können. Als sehr gelungen sind allerdings die Sprechblasen in den Zeichnungen zu bewerten. Sie regen den Diskurs an und zeigen, dass eine Lösung des Problems bisher nicht in Sicht ist.
Die Doppelseite zur Tierhaltung setzt sich mit dem Ausstoß von Treibhausgasen im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion auseinander. Dabei wird auf verschiedene Produktionsformen eingegangen. Die Ausführungen zum Beitrag der Landwirtschaft als Verursacher von Treibhausgasen wird auf sechs Seiten ausgeführt. Eine Doppelseite gibt einen Überblick über verschiedene Lebensmittel hinsichtlich des durchschnittlichen jährlichen Pro-Kopfverbrauchs und der damit verbundenen jeweiligen Treibhausgasproduktion. Hierbei wird deutlich, dass tierische Produkte gegenüber pflanzlichen einen exorbitant hohen ökologischen Fußabdruck besitzen. Gleichzeitig wird dargestellt, dass der Verbrauch der tierischen Lebensmittel stark gestiegen ist. Schließlich wird auch die Insektenproduktion als mögliche Zukunftsversion als Eiweißquelle angesprochen. Es folgen zwei Doppelseiten zur Produktion von tierischen Lebensmitteln und der Herstellung von Obst und Gemüse. Alle Ausführungen suchen den Zusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion. Sie erläutern wie aufwendig die Produktion von tierischen Lebensmitteln gegenüber pflanzlichen ist und sich belastend für den Klimawandel auswirkt. Auch die notwendige Lagerung/Aufbewahrung in Kühleinheiten wird angesprochen. Bei den pflanzlichen Lebensmitteln wird die Problematik der häufig langen und aufwendigen Herstellungs- und Lieferketten betrachtet. Es wird dazu aufgefordert, Lebensmittel nicht zu verschwenden, tierische Lebensmittel in Maßen und saisonal sowie regional einzukaufen oder auch den eigenen Garten zu nutzen, um Kräuter, Obst und Gemüse anzubauen. Bei den Ausführungen ist die Darstellung der landwirtschaftlichen Produktionswege sehr verkürzt bzw. so stark didaktisch reduziert, dass lediglich einige Punkte, die Länge und räumliche Ausbreitung der Produktions- und Konsumtionswege, in Ansätzen der Flächenverbrauch und die Höhe der Treibhausgasemissionen, dargestellt werden. Weitere interessante Aspekte wie unterschiedliche Produktionsformen, z.B. ökologische, konventionelle oder Mischansätze, werden nicht einbezogen.
Abschließend betrachtet, bietet das Sachbuch einen guten Zugang für Kinder, sich mit dem Problem des Klimawandels auseinanderzusetzen. Es vermittelt die Vielschichtigkeit der Thematik gut und bereitet sie für Kinder im Grundschulalter exzellent auf. Besonders die Zeichnungen und die darin enthaltenen Sprechblasen sind als sehr gelungen, zielführend und altersgerecht zu bewerten. Durch sie gelingt es, die Sachverhalte für die Lernenden greifbarer zu machen sowie den Diskurs und die Mehrperspektivität auf den Klimawandel anzuregen. Wünschenswert wäre an einigen Stellen eine weniger starke didaktische Reduktion, die zugunsten einer objektiveren und weniger idyllischen Darstellung der Sachverhalte gehen würde. Auch ein stärkerer Bezug zum außerschulischen regionalen Lernen, der eine originale Begegnung mit den Lerninhalten ermöglichen würde, wäre erstrebenswert.
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